Die Erkenntnisse zu COVID-19 wachsen mit jedem Tag. So weiß man heute, dass schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Auch die Datenlage zu den Impfungen verdichtet sich. Somit wird die Frage nach dem Umgang damit vor oder während einer Schwangerschaft oder der Stillzeit immer relevanter. Studien, die während dieser sensiblen Lebensquase von Frauen durchgeführt wurden, gibt es noch nicht. Erste Anhaltspunkte jedoch schon. Gynäkolog*innen raten zu einer ausführlichen Beratung mit dem* der Frauenärzt*in und einer individuellen Nutzen-Risikoabwägung. Ebenfalls ein wichtiges und keinesfalls zu vernachlässigendes Thema trotz Pandemie: Vorsorgeuntersuchungen wie das Brustkrebsscreening sollten weiter wahrgenommen werden.
„Mit Frauengesundheit ist nicht nur die Verhütung und Behandlung von Krankheiten gemeint, die nur Frauen betreffen können, wie Gebärmutterhalskrebs sowie die Betreuung im Falle von Schwangerschaft und Mutterschaft, sondern ganz generell die Selbstbestimmung von Frauen in allen gesundheitlichen Belangen sowie genderspezifische Aspekte der Vorsorge und Versorgung. Diese darf auch während der Pandemie nicht zu kurz kommen
“, betont Dr.in Juliane Bogner-Strauß, Landesrätin für Bildung, Gesellschaft, Gesundheit und Pflege in der Steiermark.
Schwangere mit etwas schwererem Verlauf
Ganz besonders betrifft das Thema jedoch schwangere Frauen. Während man zu Beginn der Pandemie noch angenommen hatte, dass Schwangere von COVID-19 nicht schwerer betroffen sind als andere Personengruppen, wurde dies mittlerweile leicht revidiert. „Nach aktuellem Kenntnisstand sind schwere Verlaufsformen von COVID-19, die zu einer stationären Aufnahme oder einer intensivmedizinischen Versorgung führen, bei Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwangeren um etwa das Zweifache erhöht. Das entspricht ungefähr den Werten, die man von der Influenza kennt
“, berichtet Dr.in Petra Pateisky, Fachärztin an der Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien. „COVID-19 in der Schwangerschaft könnte auch mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Präeklampsie (einer speziellen Form von Bluthochdruck, Anm.) einhergehen“, so die Gynäkologin. Laut Studien sei auch das Gesamtrisiko für eine Frühgeburt im Vergleich zu Schwangeren ohne COVID-19 etwa um das Dreifache erhöht.
Schutz für Schwangere wichtig
Um das Risiko für Schwangere an COVID-19 zu erkranken zu minimieren, sollte auf jeden Fall das Umfeld (Partner, eventuell zukünftige Großeltern) geimpft werden, empfiehlt Pateisky. Das wird derzeit auch gemacht. „Allein in der Steiermark haben 4.428 Personen dieses Angebot bereits in Anspruch genommen“, betont Bogner-Strauß.
Pateisky betont: „Die Impfung von Schwangeren selbst ist grundsätzlich möglich, allerdings außerhalb der Zulassung aller bisher verfügbaren Impfstoffe.“ Bei allen Zulassungsstudien seien Schwangerschaften zwar ausgeschlossen gewesen, dennoch sei es zu einigen Schwangerschaften gekommen. „Bisher sind keine negativen Auswirkungen bekannt“, fasst Pateisky den aktuellen Stand zusammen und ergänzt: „Registerdaten von Impfungen bei Schwangeren insbesondere aus den USA mit bereits mehreren tausend Schwangeren zeigen bisher keine Sicherheitsrisiken.“ „Einige der COVID-19-Impfstoff-herstellenden Unternehmen haben bereits mit Studien bei Schwangeren begonnen“, erläutert Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller.
Impfentscheidung gemeinsam mit dem*der Gynäkolog*in
Die Entscheidung, ob eine COVID-19-Impfung während einer Schwangerschaft verabreicht werden soll, sollte individuell gemeinsam mit dem* der betreuenden Frauenärzt*in entschieden werden, so Pateisky. Wichtig sei ebenfalls, die potenziellen Impfreaktionen vorab zu besprechen, um Verunsicherungen entgegenzuwirken.
Impfung vor oder während Kinderwunsch(behandlung)
Bereits etwas klarer ist die Empfehlung bei Frauen mit Kinderwunsch. „Frauen mit Kinderwunsch, die derzeit die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen, sollten dies auch tun
, empfiehlt Kinderwunsch-Expertin Miriam Mottl von der Klinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gynäkologische Endokrinologie am Kepler Universitätsklinikum Linz. „Das bedeutet aber nicht, dass all jene, die noch nicht die Möglichkeit einer Impfung haben, ihren Kinderwunsch aufschieben sollten“, stellt Mottl klar. Ob dies Sinn mache oder nicht, hänge von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel dem Alter des Paares oder den Risikofaktoren für COVID-19, ab. „Bei Paaren, die mit einer Kinderwunschbehandlung beginnen, gibt es auch noch mehrere Mittelwege“, erläutert die Kinderwunschexpertin. „Da es grundsätzlich ein bis zwei Monate dauert, um abzuklären, welche Behandlung passend ist, kann beispielsweise auch in dieser Zeit eine Impfung stattfinden. Bei Frauen, die eine In-vitro-Fertilisation in Anspruch nehmen, besteht auch die Möglichkeit, die befruchteten Eizellen nach der Entnahme einfrieren zu lassen, falls es kurzfristig zu einem Impftermin kommt.“ Auch in diesem Fall sei es essenziell, Kontakt mit dem* der Gynäkologen*in beziehungsweise der behandelnden Kinderwunschklinik aufzunehmen und die individuelle Vorgangsweise zu besprechen.
Andere Impfungen nicht vergessen
Trotz COVID-19 sollte auch auf alle anderen empfohlenen Impfungen nicht vergessen werden, nicht nur, aber besonders vor und während einer Schwangerschaft beziehungsweise in der Stillzeit. „Die Steiermark unterstützt die Frauen dabei und verteilt für alle Impfungen während der Schwangerschaft Impfscheckhefte. Mit diesem Scheckheft bekommen die Frauen die wichtigsten Impfstoffe und Impfungen für Kinder von 0 bis 6 Jahren“, zeigt Bogner-Strauß eine wichtige Unterstützungsmaßnahme auf.
Die European Society for Infectious Diseases in Obstetrics and Gynaecology (ESIDOG) beschäftigt sich schon mehrere Jahre mit dem Thema „Impfungen für Frauen“. Sie hat deswegen auch einen eigenen „Frauenimpfplan“ herausgebracht. Darin aufgelistet sind sämtliche Impfungen, die Frauen im Laufe ihres Lebens benötigen. „Die WHO empfiehlt überhaupt, jeden Arztbesuch dazu zu nützen, den Impfstatus zu überprüfen und Impfungen gegebenenfalls aufzufrischen“, berichtet Gallo-Daniel. „Impfungen sind generell ein ganz wichtiger Teil der Vorsorge, die ebenfalls trotz Pandemie weiter wahrgenommen werden sollten
“, betont auch LRin Bogner-Strauß. „Die Bundesländer spielen dabei eine wesentliche Rolle. Insbesondere obliegt ihnen die Organisation und Abwicklung. Derzeit läuft beispielsweise in der Steiermark die FSME-Impfaktion des Landes. Ab Herbst findet wieder die Grippe-Impfaktion 65+ statt.“
Vorsorgeuntersuchungen weiter wahrnehmen
Zur Vorsorge gehören neben Impfungen auch die Vorsorgeuntersuchungen. Sie sollten auch während der Pandemie wahrgenommen werden, stellt Bogner-Strauß klar. Dazu gehöre unter anderem das Brustkrebsscreening. Denn: „In Österreich erkranken jährlich rund 5.500 Frauen an Brustkrebs, etwa 1.600 sterben an den Folgen der Krankheit.“
Gallo-Daniel ergänzt: „Generell ist zu empfehlen, alle Routine-Untersuchungen beim* bei der Frauenärzt*in, also dem* der Hausärzt*in der Frauen, unbedingt weiter wahrzunehmen und sich über alle Aspekte der Frauengesundheit inklusive der Impfungen regelmäßig beraten zu lassen.
“
Service-Hinweis:
Der Frauenimpfplan der ESIDOG ist unter folgendem Link abrufbar.